1.1 Allergie, Intoleranz oder Unverträglichkeit?
Allergie, Intoleranz oder Unverträglichkeit?
Zahlreiche Patienten und Patientinnen werden dem Allergologen zur Abklärung fraglicher „allergischer“ Erkrankungen mit
Beschwerden an verschiedenen Organsystemen zugewiesen, meist mit sichtbaren Erkrankungen vor allem an Haut und Augen oder erkennbaren Beeinträchtigungen der oberen und tieferen Atemwegen und/oder des Verdauungstraktes.
Das Beschwerdebild der Patienten und Patientinnen reicht von akuten, kurzzeitigen bis zu chronischen Symptomen und von
leichten bis zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern.
Über 20% der Allgemeinbevölkerung geben an, unter einer Nahrungsmittelallergie zu leiden, davon lässt sich jedoch nur etwa ein Zehntel als (IgE-vermittelte) Allergie bestätigen.
Nahrungsmittelintoleranzen dürften bei Weitem häufiger sein, lassen sich aber schwieriger diagnostizieren, da die Diagnostik
vorrangig mit Hilfe eines Ernährungs- und Symptomtagebuches und Provokationstestungen durchgeführt wird und die Beschwerden meist zusammen mit weiteren Einflüssen ablaufen und schwierig abzugrenzen sind.
Da das Beschwerdebild oft unspezifisch und der Auslöser nicht immer sicher identifizierbar ist, vergehen bis zu einer zuverlässigen Diagnose mit entsprechend zielgerichteter Therapie normalerweise Jahre. Dazu kommt, dass die Anzahl der Lebensmittel, die
verdächtigt werden, die Symptome auszulösen, schier unerschöpflich ist und die zugrundeliegenden Pathomechanismen ebenfalls mannigfaltig sind.
Grundsätzlich kann man sagen:
Allergie = Ist eine grundlegende Reaktion unseres Immunsystems
Unverträglichkeit und Intoleranz sind Synonyme = Eine Intoleranz ist keine allergische Reaktion, die Ursachen müssen pro Patient erkundet werden und kann von unzähligen Faktoren abhängen.
Wissenschaftliche Abgrenzung
Im Allgemeinen wird in der Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten zwischen immunmediierten und nicht
immunmediierten Mechanismen unterschieden.
Das heißt, ein Patient kann beispielsweise allergisch auf Kuhmilch sein aufgrund einer Reaktion seines Immunsystems auf
Milcheiweiß oder intolerant gegenüber Milch durch die Unfähigkeit, Milchzucker zu verdauen, was im Darm zu vermehrter
bakterieller Fermentation und Zurückhaltung von Flüssigkeit (Retention) führt. Das Beschwerdebild kann in beiden Fällen
Bauchschmerzen und Durchfall sein.
Betrachtet werden sollten auch weitere Punkte, wie das Lebensalters und der Auslöser: So werden bei Laktoseintoleranz
laktosefreie Milchprodukte, aber auch Käse und Butter üblicherweise problemlos vertragen.
Nicht immunmediierte Unverträglichkeiten auf Nahrungsmittel werden grundsätzlich eingeteilt in
Kohlenhydratverwertungsstörungen, enzymatische, toxische und undefinierte/idiopathische Nahrungsmittelunverträglichkeiten,
wobei sich hinsichtlich der Symptome durchaus Überlappungen finden. Ein erster Hinweis, um zwischen Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelintoleranzen zu unterscheiden, kann die Dosisabhängigkeit sein.
Bei Nahrungsmittelintoleranzen werden kleine Dosen üblicherweise toleriert, und Beschwerden entstehen erst mit Konsumation
zunehmender Mengen oder der Kombination verschiedener Auslöser.
Das kann zum Beispiel bedeuten, dass der Genuss von Käse allein ohne Beschwerden bleibt, aber die Kombination mit Tomaten, Rotwein/Bier und Salami Probleme verursacht.
Bei Nahrungsmittelallergien ist die Dosis-Symptom-Korrelation nicht in diesem Ausmaß gegeben: Auch hier können Kofaktoren den Schweregrad der Reaktion beeinflussen, Patienten aber bereits bei kleinsten Spuren des unverträglichen Nahrungsmittels auch schwere Systemreaktionen entwickeln.
MERKE:
Intoleranz = kleine Dosis des Nahrungsmittel werden akzeptiert, erst in größerer Menge oder in Kombination mit bestimmten
anderen Nahrungsmitteln reagiert der Körper
Allergie = schon kleinste Mengen können größere Reaktionen hervorrufen